Petition zum Bildungsplan 2015

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12. November 2015

Nachahmung, Sündenbock, Erlösung – zum Tod des Kulturanthropologen René Girard

von Gabriel Stängle.

In den letzten Monaten erlebe ich keine zwei Wochen, in denen ich nicht mit der Frage konfrontiert werde, wie es mir denn ginge und wie ich den medialen Shitstorm im Zuge der Bildungsplan-Petition überstehen konnte. Die Antwort darauf ist umfangreich und schwer in fünf Sätzen zu skizzieren. Ein  Grund, der mir half, die medialen Eruptionen einzuordnen, ist die intensive Beschäftigung mit der mimetischen Theorie des franko-amerikanischen Kulturanthropologen und Religionsphilosophen René Girard in den letzten 15 Jahren.

Der persönliche Zugang René Girards
Wie kam es dazu? Bedeutend war eine Situation im Referendariat, in der ich die Erfahrung eines Sündenbocks machte. Fassungslos stand ich vor diesem Phänomen und konnte es nicht einordnen. Ich schrieb mir die Geschichte auf, reflektierte sie Tage und Wochen und war fest davon überzeugt, dass ich alles richtig gemacht hatte. Wie konnte dann so etwas passieren? Kurz darauf las ich einen Artikel in der ZEIT, der mich aufhorchen lies. Als wenige Wochen später das besprochene Buch Girards völlig überraschend auf meinem Geburtstagstisch lag, wurde es für mich das wichtigste Buch, das ich in den letzten 20 Jahren gelesen hatte. Es war der Beginn einer der interessantesten intellektuellen Pfade, die ich einschlug, und eine zutiefst existentielle Erfahrung.

Die Aktualität des Werks von Girard
René Girard hat in seinen Studien über den Sündenbock herausgefunden, dass in einer bedrohlichen Krise Gesellschaften einen vermeintlichen Außenseiter oder Andersartigen „opfern“. Das Opfer hat eine Entlastungsfunktion und hat die Rolle, den gesellschaftlichen Frieden wiederherzustellen. Diese Situationen kann man in den gegenwärtigen Umbruchs- und Krisenerfahrungen deutlich wahrnehmen. Mal sind es die Flüchtlinge, auf die sich die Ausgrenzung richtet, oder aber auch diejenigen, die sich der Unterwerfung der politischen Korrektheit gegenüber verschließen. Gerade in einem Land, in dem viele „Offenheit, Vielfalt und inklusives Denken“ proklamieren, aber dieselben plumpen Ausschließungsmechanismen selber drauf haben wie Menschen, die in dem mittellosen Flüchtling eine Bedrohung ihres Mittelklassewohlstands sehen. Der Lynchmob des linken Spießertums, das sich dieser Tage noch im Abfackeln von Autos zeigt, und die menschenverachtenden Angriffe gegen Flüchtlingsheime sprechen letztlich ein- und dieselbe Sprache.

Mimetische Krise in der Schule
Girards mimetische Theorie öffnet aber nicht nur einen neuen Blick auf die anthropologische Verfasstheit des Menschen. Sie bringt auch einen notwendigen Blick auf das Verstehen von Krisen in der Schule und leistet einen Beitrag für die Prävention gegen Ausgrenzung. Das hat Axel Bödefeld am Beispiel des Bullying in Schulklassen aufgezeigt. Die mimetische Theorie hilft, die Sprachlosigkeit des gegenwärtigen Vielfaltsrauschs angesichts der alltäglichen Exklusion zu überwinden.

Den Akzeptanz- und Anerkennungsfloskeln der „Schule der Vielfalt“-Literatur fehlt genau der Zugang, um Ausgrenzung und Krisen zu verstehen und daraus Präventionsangebote herauszuarbeiten. Dass der Bildungsplan 2016 mit dem Menschenbild der autonomen ICHlinge von oberflächlichen Akzeptanz-Floskeln gespickt ist und kaum reale Lösungswege für bestehende Probleme aufzeigt, haben wir schon auf vielen Beiträgen in dieser Homepage dargelegt.

Lohnender Einblick
Einen guten Zugang zu Girards bietet der beste Kenner seines Werkes im deutschsprachigen Raum, Wolfgang Palaver, hier in Buchform und hier im Interview.  Ich habe Girard bei der Verleihung des Dr.-Leopold-Lucas-Preises der Universität Tübingen im Jahr 2006 erlebt. Wenn es in einigen Jahrzehnten um die Frage gehen wird, wer zu den bedeutendsten Denkern am Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jh.s zu zählen ist, dürfte sein Name stets mit genannt werden. Am Mittwoch, den 4.11.2015 ist René Girard im Alter von 91 Jahren in Stanford verstorben.

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